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Grundlagenforschung für Prävention im Sexgewerbe

Ausgabe Nr. 80
Mai. 2010
Prävention rentiert!

Sexwork und Gesundheit. Prostituierte sind vermehrt Risiken ausgesetzt, die das Wohlbefinden und den Gesundheitszustand beeinträchtigen. Die dreiteilige Studie «Der Sexmarkt in der Schweiz – Kenntnisstand, Best Practices und Empfehlungen» zeigt die Anknüpfungspunkte für effektive Präventions- und Gesundheitsförderungsstrategien in diesem Milieu auf.

In der Schweiz gehen schätzungsweise 13 000 bis 20 000 Personen der Prostitution nach. Die soziale Verachtung, prekäre finanzielle Verhältnisse und das Fehlen einer Aufenthaltsbewilligung machen Sexarbeiterinnen und -arbeiter zu einer besonders anfälligen Personengruppe, die spezielle Präventionsmassnahmen erfordert. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat im Jahr 2007 das Soziologische Institut der Universität Genf mit einer breit angelegten Studie über das schweizerische Sexgewerbe beauftragt. Hauptziel dieser Studie ist es, für die Politik, die Organisationen und Forschenden eine Wissensgrundlage für die Erarbeitung wirksamer Massnahmen zur Gesundheitsförderung im Sexgewerbe zu erarbeiten.

HIV, Gewalt, psychische Probleme
Der erste Teil der Studie stellt eine Bestandesaufnahme der wichtigsten gesundheitlichen Probleme der Sexworkerinnen dar. Insgesamt liegt die HIV-Prävalenz bei Sexarbeiterinnen nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung. Allerdings weisen ausländische Sexarbeiterinnen oder solche, die intravenös Drogen konsumieren, ein grösseres HIV-Infektionsrisiko auf. Migrantinnen sind zudem wegen ihres oftmals illegalen Aufenthaltsstatus für Gesundheitsdienste besonders schwer zu erreichen, wodurch ihre Anfälligkeit zusätzlich steigt. Schliesslich führt eine erhöhte Prävalenz von sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) bei Sexarbeiterinnen zu einem grösseren Risiko, sich mit HIV anzustecken. Die meisten Autoren der untersuchten Literatur betrachten das Verhandlungsgeschick der Sexarbeiterinnen und die Selbstständigkeit bei der Ausübung ihres Gewerbes als Schutzfaktoren gegen HIV und STI.
Die stark verbreitete Gewalt in diesem Milieu ist ein weiterer wichtiger Gesundheitsfaktor. Sie wirkt sich vor allem auch auf die psychische Gesundheit der Prostituierten aus, die durch ihre Lebensverhältnisse und das soziale Stigma ohnehin schon stark belastet ist. Verschiedene Studien haben Faktoren identifiziert, die das Risiko von gewaltsamen Übergriffen verschärfen. Dazu gehören mangelndes Wissen über die Gefahren des Berufs oder fehlende Erfahrung bei der Auswahl der Freier.

Prostitutionsgesetze sind gesundheitsförderlich
Der zweite Teil der Studie gibt einen Überblick über die Rechtslage im Bereich des Sexgewerbes. Die Prostitution hat in der Schweiz den Status einer legalen, privaten, selbstständigen Erwerbstätigkeit. Dies hat den Vorteil, dass einschlägige Massnahmen für Gesundheitsförderung und Prävention in Zusam­menarbeit mit den Behörden entwickelt werden können. Gesetzlich geregelt ist die Sexarbeit im schweizerischen Strafgesetzbuch, das unter anderem einen Artikel über die Ausnützung sexueller Handlungen oder den Menschenhandel zum Zweck der Prostitution enthält. Verglichen mit Ländern mit einem abolitionistischen Gesetzesrahmen, gewährleistet das reglementaristische System der Schweiz einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung und eine bessere Verbreitung von Informationen für Sexarbeiterinnen. Auf kantonaler Ebene gelten sehr unterschiedliche gesetzliche Vorschriften. Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass das Vorhandensein eines kantonalen Prostitutionsgesetzes für die Gesundheit der Sexworkerinnen förderlich ist, weil es oft mit Massnahmen wie kostenlosen Kondomen oder dem erleichterten Zugang zu medizinischer Versorgung für nicht krankenversicherte Personen einhergeht.

«Empowerment» ist der Schlüssel zum Erfolg
Wie sich aus der Analyse bestehender Projekte und Best Practices in der Schweiz ergeben hat, ist die Hilfe zur Selbsthilfe (Empowerment) der zentrale Anknüpfungspunkt für eine bessere gesundheitliche Situation der Sexworkerinnen. Hier ist insbesondere die aufsuchende Präventionsarbeit (Outreach) durch ausgebildete Mediatorinnen gefragt, um den Zugang der Sexworkerinnen zu solchen Massnahmen zu verbessern.
Als Massnahmen im Zusammenhang mit körperlichen Problemen empfehlen die Studien-Autoren Schnelltests in spezialisierten Zentren, die Erarbeitung einer Liste mit Ärztinnen und Ärzten, denen die Sexarbeiterinnen vertrauen können, sowie die Fortsetzung und Verstärkung der Prävention für Freier.
Im psychosozialen Bereich sollten folgende Ansätze gefördert werden: Selbsthilfegruppen (zur Lancierung von Empowerment-Prozessen), Informationen für spezifische Settings, (Problemkreise/ Sprachgruppen), Warnsysteme zum Schutz vor gewalttätigen Freiern sowie die Förderung von rechtlicher Begleitung durch Juristinnen und Juristen, die mit der Problematik des Sexgewerbes vertraut sind.
Gestützt auf diese Ergebnisse, hat das BAG eine Vision der Gesundheitspolitik für das Sexgewerbe formuliert, die weitgehend diesen Empfehlungen entspricht. Insbesondere wird das BAG in Zukunft sämtliche Initiativen un­ter­stützen, die auf Autonomie, Selbsthilfe und Empowerment (Selbstbefähigung) der Sexarbeiterinnen ausgerichtet sind.

Gesundheitsförderung in der Gemeinschaftsgastronomie

In der Schweiz verpflegen sich täglich mindestens eine Million Menschen in Einrichtungen der Gemeinschaftsgastronomie, das heisst am Arbeitsplatz, in der Schule, im Spital oder im Heim. Angesichts der steigenden Kosten des Schweizer Gesundheitswesens, die zu rund einem Drittel durch ernährungsbedingte Krankheiten verursacht werden, ist die Gemeinschaftsgastronomie ein zentraler Ansatzpunkt für Massnahmen der Gesundheitsförderung.
Im Rahmen des Projekts «Qualitätsstandards einer gesundheitsfördernden Gemeinschaftsgastronomie» wurde nun ein Instrument für solche Betriebe erarbeitet, das sie in ihren Anstrengungen für eine gesunde Ernährung ihrer Kunden unterstützen und zur stetigen Qualitätsverbesserung motivieren soll.
Unter Anwendung der «Good Practice»-Strategie werden die definierten Standards ausserdem hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit überprüft und weiterentwickelt. Mittels Online-Befragung von Anbietern und Konsumenten von Gemeinschaftsverpflegung wird zudem ein Einblick in die Organisation und Funktionsweise der Schweizer Gemeinschaftsgastronomie gewonnen und ihr Engagement für die Gesundheit der Kunden erfasst.
Das Projekt ist im Nationalen Programm Ernährung und Bewegung 2008–2012 (NPEB 2008–2012) des Bundesamts für Gesundheit (BAG) eingebettet. Durch­geführt wird es gemeinsam von der Berner Fachhochschule, der Schweize­rischen Gesellschaft für Ernährung und der Haute école de santé Genève und finanziert durch das BAG und die beiden Fachhochschulen.

Projektplattform unter www.gp-gemgastro.ch.
Mit Online-Fragebogen, Qualitäts­standards, Checklisten u.v.m.

Kontakt: Valérie Bourdin, Sektion Ernährung und Bewegung, valerie.bourdin@bag.admin.ch

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Kontakt

Karen Klaue, Sektion Prävention und Promotion, karen.klaue@bag.admin.ch

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